HERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz- und Leittechnik, im Rahmen der Primärprüfung einer Differentialschutz-Inbetriebsetzung kann es erforderlich werden, eine sogenannte Stromfahrt durchzuführen. In unserem heutigen Artikel zeigen wir Euch an einem konkreten Berechnungsbeispiel, wie ihr einfach und Schritt für Schritt die Stromverteilung berechnet. Los geht's!
Warum vorab berechnen?
Um die zu erwartenden sekundären Stromverhältnisse abzuschätzen, ist die Berechnung der Stromverteilung im Rahmen der Prüfungsvorbereitung erforderlich. Darüber hinaus dienen die Berechnungsergebnisse zur Überprüfung der Stromtragfähigkeit unserer Kurzschlussvorrichtungen. Hier sind ggf. die Zeiten thermischer Grenzkurven einzuhalten, damit die eingesetzten Kurzschlussvorrichtungen nicht abrauchen.
Die Primärprüfung
Stromwandler von Transformatoren und Antrieben auf Mittelspannungs- und Verteilnetzebene prüfen wir mit der sogenannten 400 Volt Prüfung, der Prüfstrom kommt hier aus der Steckdose (Hier geht es zu unserem Fachartikel "400 Volt Prüfung?"). Was aber wenn wir es mit größeren Anlagen zu tun bekommen? Hier helfen nur noch große Prüftransformatoren, Stromfahrten mit handerregten Kraftwerksgenerator oder Kreisstromfahrten mit Kurzschlussleistung aus dem Netz. In unserem Berechnungsbeispiel zeigen wir exemplarisch die Prüfung mittels Kraftwerksgenerator. Geprüft werden sollen die Differentialschutz-Systeme der drei Transformatoren BAT, BBT1 und BBT2. Zur Durchführung der Stromfahrt werden dreiphasige Kurzschlüsse außerhalb der Schutzbereiche der Differentialschutzfunktionen eingebaut. Unser Beispiel zeigt einen Block mit 2 Eigenbedarf-transformatoren und 5 Kurzschlussorten (siehe Titelbild oben).
Die Zerlegung in das Ersatzschaltbild
Um im Rahmen der Stromfahrt die erwartungsgemäßen sekundären Wandlerstrombeträge kontrollieren zu können, müssen wir zunächst die primäre Stromverteilung berechnen. Im ersten Prüfschritt werden wir 5% Generatornennstrom „in die Anlage fahren“. Bei z.B. 20 kA Generator-Nennstrom sollen das 1000 A sein. Wir zerlegen die Anlage in das folgende Ersatzschaltbild:
Die Teilströme können bequem über die klassische Stromteilerregel ermittelt werden, an die wir uns immer wieder gern erinnern:
Der Teilstrom verhält sich zum Gesamtstrom wie der vom Teilstrom nicht durchflossene Teilwiderstand zum Ringwiderstand der Masche!
Die Teilströme für die beiden Eigenbedarftrafos ergeben sich also zu:
Für die Berechnung von Strom I1-OS muss zusätzlich die Übersetzung des Maschinentrafos berücksichtigt werden:
Um mit den genannten Formeln arbeiten zu können, fehlen uns die Ersatzimpedanzen für die Trafos. Diese werden nach DIN VDE 0102 ermittelt:
Ersatzimpedanz Maschinentrafo:
Ersatzimpedanz Eigenbedarftrafo:
Die Ersatzimpedanzen der Dreiecksschaltung ergeben sich zu:
Stromverteilung berechnen
Im nächsten Schritt überführen wir den Trafo in eine Sternschaltung; hier bitte nicht die klassische Dreieck-Stern-Umrechnung verwenden. Wir halten uns an die fachlich saubere Transformation entsprechend DIN VDE 0102 für Dreiwicklertrafos.
Im letzten Schritt fassen wir die Sternschaltung zu einer gemeinsamen Ersatzimpedanz zusammen:
Nun ist der Stromteiler lösbar und wir können die Verteilung unserer primären Ströme berechnen.
Die Ergebnisse rechnen wir anhand der Übersetzungsverhältnisse der Stromwandler in Sekundärwerte um und bringen sie in einer übersichtlichen Excel-Tabelle im Prüfprogramm unter.
Wir empfehlen, den hier beschriebenen Rechenweg in einem Excel-Blatt zu kalkulieren. Dadurch können jederzeit Änderungen der Eingangsgrößen erfolgen. Darüber hinaus ist man für die nächste Prüfung bestens vorbereitet und muss nicht immer wieder bei Null anfangen.