erzlich Willkommen liebe Freunde der Schutz- und der Leittechnik, heute erfahrt Ihr, wie der Ständererdschlussschutz in Kraftwerksblöcken aufgebaut ist und wie er mit der Schnittstelle zum Netz koordiniert wird.
Heute zeigen wir Euch was jeder Elektrotechniker über den Erdschlussschutz wissen sollte. Dabei gehen wir davon aus, das die grundsätzlichen Zusammenhänge wie symmetrische Komponenten, Nullsystemspannung und die Funktionsweise des Erdschlussschutzes bereits bekannt sind.
Worum geht es heute also?
Wir stellen Euch den Ständererdschlussschutz in einem Kraftwerksblock und dessen Koordination mit dem angeschlossenen Übertragungsnetz vor. Diese grundlegenden Zusammenhänge sollte jeder Schutztechniker einmal gehört haben, unabhängig auf welchem Gebiet er tätig ist.
Allen die jetzt abschalten wollen und rufen: Der Kohleausstieg ist beschlossen wer braucht noch KnowHow im Bereich der Kraftwerkstechnik sei gesagt: Auch wenn der Kohleausstieg in vielen Industrienationen beschlossen ist, global betrachtet is er noch nicht im Ansatz in Sicht.
Derzeit befinden sich weltweit über 1400 Kohlekraftwerke und zusätzlich mehr als 150 Kernkraftwerke in der Planung und im Bau. Wir reden hier in Summe in etwa über zusätzliche 800 Gigawatt an konventionell installierter Erzeugungsleistung. Global betrachtet werden wir also noch sehr viele Jahre in diesem Bereich zu tun haben, das gilt vor allem für europäische Unternehmen die schwerpunktmäßig im Ausland unterwegs sind.
Also auf geht’s:
In der klassischen Blockschaltung, welche immer dann gegeben ist, wenn jeder Generator über mindestens einen Blocktransformator mit dem Netz verbunden ist, kommt die reine Nullspannungsüberwachung an der offenen Dreieckswicklung bzw. an einem dreiphasigen Erdungstransformator zum Einsatz. Da die Verlagerung der Spannung im Erdschlussfall nur auf der Unterspannungsseite des Blocktransformators in Erscheinung tritt, kann sie als selektives Kriterium verwendet werden.
Problematisch wird es bei Eintritt eines Erdfehlers im angeschlossenen Übertragungsnetz. Dieser darf in keinem Fall zum Ansprechen und Auslösen des kraftwerkseigenen Erdschlussschutzes führen. Leider rufen aber Erdfehler auf der Netzseite Störgrößen im Nullsystem der Kraftwerksseite hervor.
Trotz der galvanischen Trennung zwischen Ober- und Unterspannungsseite des Blocktransformators findet eine Einkopplung auf die Generatorseite statt. Grund dafür sind die Koppelkapazitäten des Maschinentrafos, welche in der Regel zwischen 5 bis 20 nF betragen.
Um diese Störgröße zu bedämpfen wird das Nullsystem mit einem hochohmigen Widerstand belastet. Für den Anschluss dieses Dämpfungswiderstandes gibt es zwei Varianten:
🌐 Die Erdung des Generator-Sternpunktes über einen einphasigen Nullpunkttransformator
🌐 oder die Erdung der Unterspannungsseite des Blocktransformators mittels 3-phasigem Erdungstransformator
Weiterhin müssen wir uns vor Augen führen, dass die Nullspannung eine Funktion des Fehlerortes im Generatorständerpaket ist. Je weiter wir uns in Richtung Maschinensternpunkt hin begeben, um so geringer wird das Spannungsnullsystem.
Um nun auch sternpunktnahe Erdschlüsse im Ständerpaket des Generators sicher erfassen zu können, müssten wir einen sehr kleinen Ansprechwert in Richtung 0 Volt wählen. Nun kommt aber die zuvor erwähnte Störbeeinflussung bei netzseitigem Erdkurzschluss zum tragen, wir errinern uns:
Der Erdfehler auf der oberspannungsseite koppelt eine Nullsystemspannung in den Bereich der Energieableitung des Kraftwerkes ein. Diese Störgröße müssen wir vorab berechnen und mit einem Ansprechsicherheitsfaktor von 2 überstaffeln. Im Rahmen einer sogenannten Erdschlussfahrt werden die projektierten Einstellwerte dann praktisch getestet.
Warum 90 % Ständererdschlussschutz
Die in der Praxis üblichen Schutzbereiche für den Ständererdschlussschutz des Generators variieren zwischen 80 und 95 % der Ständerwicklung und die Einstellwerte liegen demnach bei 5 bis 20 V. Daher hat sich auch die Bezeichnung „90 % Ständererdschlussschutz“ durchgesetzt. Diese 90 % Ständererdschlussschutzfunktion ist nicht in der Lage, sternpunktnahe Erdschlüsse innerhalb der letzten 5 % des Ständers zu erkennen.
Was passiert nun bei sternpunktnahem Fehler?
Grundsätztlich gilt, dass sternpunktnahe Fehler in der Praxis so gut wie gar nicht vorkommen. Grund ist die verminderte Spannungsbeanspruchung im Sternpunktbereich. Wenn es in der Praxis überhaupt zu solchen Fehlern kommt, dann ist mit Sicherheit mechanisches Einwirken die Ursache. Aus diesem Grund wird bei kleineren Maschinen hin und wieder darauf verzichtet.
In unserem VGB Standard Elektrischer Blockschutz (VGB-S-025-00-2012-10-DE) empfehlen wir jedoch auch Maschinen unter 5 MVA mit einem zusätzlichen 100 % Ständererdschlussschutz auszustatten.
Der 100 % Ständererdschlussschutz erfasst Erdschlüsse im gesamten Blockbereich, auch wenn der betreffende Fehler im Sternpunkt liegt. In der Praxis kommen hier zwei unterschiedliche Messschaltungen in Frage:
Der 100 % Ständererdschlussschutz mit 20 Hz Methode
und der 100 % SES auf Basis der 3. Harmonischen.
Die eindeutig aufwendigere aber technisch auch sicherste Methode ist die 20 Hz-Methode. Diese arbeitet unabhängig vom aktuellen Arbeitspunkt des Generators, erfasst auch Ständererdschlüsse im Stillstand der Maschine und ist zudem absolut unanfällig für Erdkurzschlüsse auf der Netzseite.
Darüber hinaus werden auch Erdschlüsse an den Generatorklemmen und an galvanisch gekoppelten Betriebsmitteln erfasst wie z.B. an Spannungswandlern oder am Erregertrafo.
Das Wirkprinzip basiert auf der Einspeisung eines, unterhalb der Netzfrequenz liegenden, 20 Hz-Stroms. Dieser Strom kommt im Falle eines Erdschlusses, verstärkt über den Fehlerwiderstand zum fließen. Die Anschaltung des Messkreises kann entweder via Nullpunkttransformator im Sternpunkt oder mit Hilfe eines Erdungstransformators an der Energieableitung vorgenommen werden.
Die zweite Variante auf Basis der dritten harmonischen treffen wir in Deutschland nicht ganz so häufig an. Nicht jede Maschine qualifiziert sich für dieses Verfahren, da nicht immer hinreichend viele Oberschwingungen im einzelnen Generator produziert werden. Die Funktion der Messmethode ist wie folgt:
Abhängig von der Konstruktion der Pole eines Generators werden 150 Hz-Oberschwingungen in der Ständerwicklung hervorgerufen. Da diese 150 Hz Komponenten der drei Leiterspannungen in Phase liegen, addieren sich ihre Beträge im Nullsystem.
Die folgende Grafik veranschaulicht diesen Zusammenhang im Bezug auf die 50 Hz-Komponente, welche im Nullsystem und unter symmetrischen Bedingungen nahezu ausgelöscht wird. Sollte die betreffende Maschine nun eine hinreichend große 3. Harmonische produzieren, so ist diese komfortabel im Nullsystem wiederzufinden.
Bei Eintritt eines Erdschlusses in der Ständerwicklung des Generators verändert sich die Aufteilung der parasitären Kapazitäten. Dies beeinflusst die Messgröße. Bei Erdschlusseintritt veringert sich die Spannung der 3. Harmonischen im Sternpunkt (bricht auf 0 V zusammen) und steigt an den Generatorklemmen an. Je nach Messort kann hier also mit einer Unter- oder Überspannungsfunktion oder auch mit einer Spannungswaage der Erdschlusseintritt erfasst werden.
Die großen Nachteile dieser Messmethode sind:
🌐 nicht jeder Generator erzeugt hinreichend große Oberschwingungsanteile
🌐 weiterhin ist die 3. OS sowohl Wirk- als auch Blindleistungsabhängig und somit abhängig vom jeweiligen Arbeitspunkt der Maschine, damit ist im Rahmen der IBS eine Lastfahrt erforderlich um den Ansprechwert zu verifizieren. Im Worst-Case stellt man im Rahmen der Lastfahrt fest, das es keinen geeigneten Einstellwert gibt, da die Maschine zu wenig 150 Hz-Anteile erzeugt.
Aus diesen Gründen ist die 20 Hz-Methode in den meisten Fällen die bessere Wahl, auch wenn sie etwas aufwändiger in der Implementierung ist.
Wie wir die Störbeeinflussung durch die Netzseite detailliert berechnen und wie wir den Erdschlussschutz auslegen, parametrieren und in Betrieb setzen erfahrt ihr in unserem Kurs „Generatorschutz - Grundlagen, Konzepte und Inbetriebsetzung“.
Wir hoffen der Beitrag hat Euch gefallen schaut wieder rein und