ERZlich Willkommen liebe Freunde, der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. Das Thema heute lautet: Rückwärtige Verriegelung - Vorsicht Falle! In diesem Beitrag zeigen wir Euch, warum die Rückwärtige Verriegelung, unter ungünstigen Umständen, unselektiv werden kann und was ihr tun könnt, damit das nicht passiert. Los geht's
HERZliche Grüsse
Euere ENGINEERING ACADEMY
PS: Der Lesebeitrag befindet sich unter dem Video.
Einführung
Die Rückwärtige Verriegelung ist eine triviale aber zugleich geniale Methode, um den Sammelschienenschutz in strahlenförmig ausgeführten Netzen zu realisieren, ohne dabei gleich ein aufwendiges und kostenintensives Differentialschutzsystem einzusetzen. Dabei wird die Hochstromstufe I>> des UMZ-Schutzgerätes der Einspeisung einer Sammelschiene knallhart auf eine Verzögerungszeit von 100 ms eingestellt.
Zusätzlich erfolgt eine Blockierung dieser Stufe, immer dann, wenn die einfache Überstromstufe I> eines beliebigen Sammelschienenabganges anregt.
Obwohl die Überstromstufen der Abgänge in der Praxis gut und gern bis auf 1 s Auslöseverzögerung hochgestaffelt sein können, wird bereits die Anregung einer Stufe oder auch häufig die Generalanregung des Schutzrelais verwendet, um über eine Ringleitung das Blockiersignal an das Gerät in der Einspeisung zu übergeben. Die Rückwärtige Verriegelung muss dabei nicht mehr zwingend mittels Binäreingang und hartverdrahteter Ringleitung erfolgen. In modernen Anlagen wird die Realisierung mittlerweile häufiger mittels IEC 61850 und unter Verwendung von GOOSE-Signalen ausgeführt.
Abgangsfehler
Wenn nun ein Fehler in einem der Abgänge eintritt, wird umgehend und zwingend unterhalb der 100 ms, ein Blockiersignal ausgegeben. Daraufhin erfolgt eine selektive Auslösung des Abgangsschutzes, während die Einspeisung weiterhin stabil in Betrieb bleibt. Alle fehlerfreien Abgänge können unterbrechungsfrei weiterversorgt werden.
Sammelschienenfehler
Bei einem Kurzschluss auf der Sammelschiene regt die Hochstromstufe der Einspeisung ebenfalls an. Da in den Überstromstufen der Abgänge keine Anregungen erfolgen, wird die Hochstromstufe der Einspeisung nicht blockiert und es kommt mit 100 ms Verzögerung zu einer gewollten Schnellzeitauslösung des Einspeiseschalters und damit zur Trennung der gesamten Sammelschiene.
Vorsicht Falle!
Wie bereits eingangs erwähnt, handelt es sich bei der Rückwärtigen Verriegelung um eine preiswerte und praxisbewährte Möglichkeit, den Sammelschienenschutz in Strahlennetzen auszuführen. Dennoch kommt es in der Praxis immer wieder vereinzelt zu unselektiven Auslösungen. Als mögliche Ursachen kommen hier in der Praxis viele Fehlerquellen in Betracht. Das kann ein falsch rangiertes, oder bei Prüfungen versehentlich ausgeklemmtes, Blockiersignal sein. In einigen Fällen ist auch die Signallaufzeit für die Blockierung zu lang, da langsame Koppelrelais zwischengeschaltet sind. Uns ist in der Praxis ein Fall begegnet, der zur unselektiven bzw. verspäteten Auslösung führte, obwohl das gesamte Schutzsystem funktional in Ordnung war. In der betreffenden Anlage wurde die Sammelschiene mit einem Abgangsfeld zu einer Unterverteilung erweitert, die neue Kupplung wurde entsprechend in das System der Rückwärtigen Verriegelung integriert.
Bei einem realen Kurzschluss am Primärteil des Sammelschienen-Spannungswandlers, wurde der Fehler erst nach knapp 1 s geklärt. Die Hochstromstufe hätte hier mit 100 ms auslösen müssen. Tatsächlich aber erfolgte eine verspätete Fehlerklärung, welche durch die Auslösung der einfachen Überstromstufe der Einspeisung eingeleitet wurde. Was hatte man hier übersehen und wie konnte es zu diesem Versagen der Hochstromstufe in der Einspeisung kommen?
Was man nicht berücksichtigt hatte, war die Tatsache, dass die gesamte neue Unterverteilung mit mehreren leistungsstarken Antrieben ausgerüstet war. Dabei handelte es sich um konventionelle Asynchronsmaschinen ohne Frequenzumrichter. Wie wir wissen, speisen rotierende elektrische Maschinen im Kurzschlussfall einen nicht ganz unerheblichen Stromanteil in die Anlage ein. Das gilt auch für Asynchronmaschinen. Genau aus diesem Grund, werden ja nach DIN VDE 102, bei der Berechnung von minimalen Kurzschlussströmen, alle Antriebe von der Berechnung ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall hat die Rückspeisung der Motorgruppe dazu geführt, dass die Überstromstufe des Abgangsschutzes dauerhaft angeregt wurde und die Hochstromstufe der Einspeisung damit blockiert war, obwohl sich ein schnell zu klärender Kurzschluss an der Sammelschiene ereignete.
Der Kurzschlussstrom einer Asynchronmaschine kann den 5 bis 6-fachen Nennstrom des Antriebes erreichen. Damit können die Ströme der gesamten Motorgruppe, unter ungünstigen Bedingungen über dem Wert für die Anregung der Überstromstufe des Abganges liegen. Häufig besteht diese Problematik, wenn die Kurzschlussleistung des übergeordneten Netzes besonders klein ist und Antriebe mit hoher Leistung und dementsprechend hoher Rückspeisung vorhanden sind.
Was kann man tun?
Die fachlich beste Antwort auf die Frage lautet:
Gerichteter Überstromzeitschutz!
Wenn die einfachen Überstromstufen der Abgänge gerichtet ausgeführt werden und das Blockiersignal von der Anregung der gerichteten Stufe abgesetzt wird, ist das Problem behoben. Werden Richtungsglieder eingesetzt, führen nur die vorwärts gerichteten Ströme der Abgänge zur Blockierung der Hochstromstufe in der Einspeisung. Eine Rückspeisung der Abgänge kann dann nicht mehr zu einer verspäteten Abschaltung bei einem Sammelschienenfehler führen.
Sollte keine Sekundärtechnik vorhanden sein, um gerichtete Anregungen für die Blockierung zu verwenden, so sind die Kurzschlussverhältnisse genau zu berechnen. Es ist unter Umständen möglich, für die Überstromstufe des Abganges einen Ansprechwert zu finden, der weit genug über dem maximalen Kurzschlussstrom der Rückspeisung liegt, aber dennoch einen Ansprechfaktor von 2 sicherstellt, wenn sich ein Fehler im Abgang ereignet. Kann ein solcher Wert nicht gefunden werden, sind wir wieder bei Lösung 1, dem richtungsabhängigen UMZ-Schutz. Ein letzter Tipp: Bitte vergesst nicht, die Auslösung der Einspeisung auch auf alle Abgänge mit potenzieller Rückspeisung zu rangieren, es ist immer eine gute Idee Kurzschlüsse nicht nur allpolig, sondern auch allseitig abzuschalten.